Indien – durchs Hinterland in die Berge

Januar 2020 –Wir hatten von der tibetischen Enklave in Bylakuppe gelesen und beschlossen, unsere Reise Richtung südlichere Berge mit einem Zwischenstopp dort zu verbinden. Die erste Etappe von der Küste war lang und staubig mit einer Zwischenübernachtung in Mangalore, wo wir in einer abgeranzten Bar, in die vermutlich noch nie eine Frau ihren Fuß gesetzt hatte, ein Kaltgetränk schlabberten. Die Weiterfahrt bis nach Kushalnagar ging dann recht problemlos. Kushalnagar ist ein kleiner Ort, der trotz des Gewimmels recht entspannt ist. Die Gegend um Coorg (ein Ort vorher) wird auch das Schottland von Indien genannt, dank seiner hohen Lage und des feuchten, kühlen Klimas. Kaffee- und Gewürzplantagen sind die Hauptattraktion neben ein paar guten Trekkingmöglichkeiten. Wir verlieren uns abends im Gewusel der Straßen und Olaf bekommt für umgerechnet 89 Cent einen dringend nötigen Haarschnitt – Massage inklusive!

Polizist bei der „Arbeit“
Nicht nur Taschenreparatur, auch Maßschuhe gibt es bei dem Schuster

Am nächsten Tag machen wir uns dann auf zu den tibetischen Tempeln. In dieser zweitgrößten Enklave außerhalb Tibets leben mittlerweile 70.000 Tibeter und 3000 Mönche. Der Goldene Tempel ist ein beeindruckendes Bauwerk voll mit buddhistischen Figuren und Malereien. Als wir uns auf der Treppe die Schuhe wieder anziehen, werden wir von Kwuan, einem Taiwanesen, angesprochen, der seit 15 Jahren hier immer wieder lebt und meditiert. Er lädt uns ein, das Innere des Tempels zu besuchen, das Besuchern normalerweise verwehrt bleibt. Begeistert stimmen wir zu und bekommen so einen exklusiven Einblick in die drei Stufen der Erleuchtung, die sich im Bauwerk widerspiegeln, gepaart mit ausführlichen Erklärungen über die buddistischen Darstellungen. Superspannend! Beim Mittagessen entspannt sich eine lebhafte Diskussion über die Philosophien, Lebensweisen und Erlebnisse im Allgemeinen und Besonderen. Eine besondere Begegnung, die uns noch lange in Erinnerung bleiben wird!

Golden Temple

Weiter geht es in Richtung Mysore. Wir kommen im Hotel ganz in der Nähe der Hauptattraktion, dem Mysore Palace, unter und machen uns erstmal auf den Weg zum Devaraja Markt. Neben Parfümölen, Räucherstäbchen und Farben bestimmen Millionen von Blumen und Blüten das Bild des wuseligen Marktes. In Indien werden bei jeder Gelegenheit Blumen gereicht, gespendet und gehängt und dieser enorme Bedarf wird in Mysore auf beeindruckende Weise verarbeitet. Handaufgezogene Blumenketten, säckeweise Rosen, Lilien, Dahlien, Lotus und viele mehr stapeln sich in den Gängen. In anderen Gassen gibt es Obst und Gemüse sowie Kokosnüsse und allerlei andere Dinge zu kaufen. Ein grandioser Markt! Kein Wunder, dass er eine World Heritage Site ist, aber leider auch ständig vom Abriss bedroht.

Abends wollen wir nur schnell etwas essen und begegnen Manju, einem Rikshafahrer. Wir kommen ins Gespräch und nach einer Weile lädt er uns zu einem Chai ein. In seiner aufwändig ausgestatteten Riksha „Mon amour“ fahren wir zum Chaistand und unterhalten uns weiter über Mysore, Reisen und sein und unser Leben. Er fragt uns, ob wir Lust haben, eine andere Seite von Mysore zu sehen – na klar! Das Viertel, in das er uns bringt, ist nicht weit weg von dem touristischen Trubel und doch ganz anders. Hier verirren sich keine Touristen hin, es gibt eine Straße für gebrauchte Motorräder, Rikshazubehör (alles handgefertigt!) und am beeindruckendsten die unglaublich aufwändigen, kunstvoll gefertigten Holzarbeiten. Massive Türen mit Einlassungen verschiedener Holzarten, die Elefanten, Blumen und vieles mehr zeigen, über Monate hinweg von Hand gemacht. Bei uns unbezahlbar und abgesehen davon auch nirgendwo zu finden.

In „Mon amour“
Per Hand werden in einer irrsinnigen Geschwindigkeit die Intarsien ausgesägt

Erhellend ist der Besuch eines richtigen, zertifizierten Öl- und Räucherstäbchenladens: Der Markt ist eine einzige Touristenfalle, die Räucherstäbchen und Öle sind allesamt gepanscht. (Wir sind auch darauf reingefallen, aber nur, weil eine Handvoll Deutsche, die ein freiwilliges Jahr absolvieren, uns versicherten, dass genau dieser Stand KEINE Touristenabzocke ist). Im YAM hingegen erfahren wir jede Menge über die Herstellung der Räucherstäbchen (per Hand!) und die Öle, und kaufen gerne ein kleines Fläschchen ein. Eine wahnsinnig tolle Erfahrung und Amju weigert sich, auch nur einen Rupi von uns anzunehmen.

Der Mysore Palast am nächsten Tag ist eine spitzenmäßige Sehenswürdigkeit. Nach dem Taj Mahal die meistbesuchte Attraktion Indiens, ist dies ein Maharadschapalast der Extraklasse. Jeder weitere Saal, der sich öffnet ist einmalig schön und gibt einen Einblick in die pompösen Zeiten damals. Und wir haben Glück: Sonntag abends wird für eine Stunde das gesamte Gebäude mit Tausenden von Glühbirnen beleuchtet. Eine Stimmung wie beim Volksfest, dazu gibt es schräge Livemusik von einer Kapelle, die unter der Woche offensichtlich keine Zeit zum Üben hat. Wir sind hingerissen und bleiben die komplette Stunde dort, um das Schauspiel vollends auszukosten.

Als letztes steht der Chennakesava Tempel auf dem Programm. ca. 30 km außerhalb von Mysore gelegen, ist die ein ca. 800 Jahre alter, gut erhaltener Vishnu Tempel, der von außen komplett mit unzähligen Steingravierungen geschmückt ist, die alle eine eigene Bedeutung haben. Im Inneren finden sich weitere hinduistische Darstellungen und drei große, beeindruckende Figuren, jeweils verschiedene Inkarnationen von Vishnu. Unmöglich, das selbst zu verstehen, daher nehmen wir uns eine Führerin, die uns haarklein alles erklärt. Ein unglaublich beeindruckender, wunderschöner Ort und einer der schönsten Tempel, die ich bisher gesehen habe!

Nach den drei tollen Tagen in Mysore geht es nun weiter Richtung Munnar, hoch in die Berge. Für die erste brettharte lange Etappe von 250 Kilometern benötigen wir acht Stunden und fallen abends vollkommen erledigt und mit brennendem Hintern in irgendein Hotelbett. Heiliges Blechle, das war zu viel! Der nächste Tag belohnt uns hingegen mit der schönsten Fahrt, die wir bisher hatten: Munnar ist auf 1.000 Metern hoch gelegen und ebenfalls Weltkulturerbe – wegen der Teeplantagen, die sich auf Hunderten von Hektar erstrecken. Hügelige Berge, neblige Wälder, blühende Bäume zwischendurch und die kurvige Serpentinenstraße machen das zu einem Fahrerlebnis der Extraklasse.

Unser Hotel liegt am Fluss unten im Tal, wir haben uns eine eigene „Villa“ gegönnt mit Blick direkt auf den Fluss. Hier entspannen wir für drei Nächte, machen einen schönen geführten Trek durch die Teeplantagen mit Erläuterungen zur Teeernte und -produktion und fragen den Guide ein Loch in den Bauch. Mit Emily fahren wir ein bisschen durch die Gegend und treffen im Hotel auf Susan und Rick aus Australien. Die beiden sind für sechs Monate unterwegs und natürlich haben wir uns jede Menge zu erzählen! Nach einem prima Abend auf dem Balkon verabschieden wir uns am nächsten Morgen – haben aber zufällig dasselbe Ziel und verabreden uns für den übernächsten Tag für einen Tagestrek mit Bambusrafting im Tiger Reserve in Kumily.

Ein netter, jedoch überbewerteter Ausflug, der uns am Schluss aber mit zwei Elefanten, jede Menge Schwarzkopfaffen, Simbahirschen und Riesensquirrels belohnt. Wir verbringen einen schönen Abend gemeinsam, bevor sich am nächsten Tag unsere Wege endgültig trennen. Wieder eine tolle Begegnung!

Ein Gedanke zu „Indien – durchs Hinterland in die Berge

  1. Na, das ist doch Indien „comme il faut“. Der Farbenrausch, die Tempel und die Begegnungen, die man nicht vergisst. Danke, dass du mich daran teilhaben lässt.

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