Georgien

Im strömenden Regen fahren wir die letzten Kilometer die Küstenstraße der Türkei entlang. 20 km vor dem Grenzübergang Sarpi nach Georgien stehen die ersten LKW Schlangen – uns schwant Schlimmes! Aber zum Glück sind es nur die Lastwagen, die sich in die Reihe eingliedern müssen. An der Grenze fragt der Grenzer, wessen Auto es ist. Ich muss aussteigen: „You drive (zeigt auf Olaf) – you walk!“ Okay ….. Nur mit meinem Pass in der Tasche gehe ich überrumpelt in das futuristische Gebäude, das an einen Flughafentransitbereich erinnert, und folge dem Menschenstrom. Ein Stempel in den Pass, raus aus der Türkei. Ein Stempel in den Pass, ich bin in Georgien! Jetzt nur noch Olaf und Oscar wiederfinden, dann kann es weitergehen. Die beiden erspähe ich vor dem Checkpunkt, den wir ohne Probleme passieren. Die georgische Autoversicherung schnell noch abgeschlossen, und dann fahren wir los.
Wir müssen durch Batumi hindurch, und jetzt wissen wir auch, wieso keine Versicherung Georgien abdeckt: Die Leute fahren wie die gesenkten Säue. Wirklich. Es wird schon dämmerig, darum versuchen wir, zügig durch die Stadt zu kommen. Im Dunklen erreichen wir nach einem anstrengenden Tag den Campingplatz, und werden sofort herzlich von Nika empfangen. Im strömenden Regen und heftigstem Unwetter essen wir unser erstes georgisches Mahl, trinken den Wein und haben in netter Gesellschaft einen wunderbaren Abend. Die Anspannung der Türkei fällt langsam ab, wie uns dieses Land auf Anhieb gefällt!
Am nächsten Tag haben wir Glück: Strahlender Sonnenschein erwartet uns und wir machen uns auf den Weg nach Batumi. Eine großartige Stadt. Die Skyline mit unterschiedlichsten Wolkenkratzern, die Promenade erinnert an Miami, Beachclubs lassen die abendlichen Parties erahnen. Und alles ist SO sauber; nach dem ganzen unerträglichen Müll in der Türkei eine Wohltat. Wir sind völlig begeistert!
Unser Stellplatz am Abend direkt am Meer bietet uns einen grandiosen Sonnenuntergang. Auf einmal kommt ein uralter Corsa um die Ecke gekeucht, ein beleibter Polizist wuchtet sich ächzend aus dem Auto. Er gibt uns zu verstehen, dass wir eine Nacht dort stehen können und will wissen, ob unsere Räder auch abgeschlossen sind, damit Langfinger keine Chance haben. Er würde aber auch aufpassen! Um halb eins in der Nacht hupt uns ein PickUp mit zwei Polizisten aus dem Auto, die uns auf russisch ansprechen. Auch wenn man lauter spricht, verstehen wir es nicht besser … aber „unser“ Corsa kommt angefahren und erklärt wortreich, dass es OK ist, und als wir den Polizisten klarmachen können, dass wir aus Deutschland sind, fahren sie wieder davon. Sein Versprechen, aufzupassen, stellt sich als persönlicher Wachschutz heraus: Er parkt unweit unseres Autos und bleibt die ganze Nacht dort stehen. Dankbar für den Kaffee am Morgen, bekommen wir eine Tüte Feigen zum Abschied geschenkt.

Weiter führt unser Weg zu ein paar heißen Quellen, dort treffen wir Achim und Andrea mit Paulchen, ihrem MAN. Sie sind bereits weit gereist und im Regen (erneut!) und einer Gang von sieben Straßenhunden, von denen vier unter unserm Auto waren, sitzen wir erst unter unserm „Vordach“ und später ums Feuer. Ein schöner Abend, die beiden sollten wir später in Mestia wiedersehen. Die nächste Nacht verbringen wir nach dem Besuch um unspekatkulären, aber netten Okatse Canyon in Begleitung eines kuschligen Riesenhundes und fahren dann weiter und stehen sehr schön an einem Fluss. Waschen! Mit Seife!
Die Straße nach Mestia in Swanetien ist atemberaubend schön. Der mächtige Kaukasus thront in der Ferne, die umliegenden Berghügel sind in allen Grüntönen bewachsen. Wasserfälle speisen den mächtigen, reißenden Fluss, an dem wir entlang fahren: Da bekommt White water eine ganz andere Definition! Der nahende Herbst färbt die Blätter schon gelb. Dieses Land ist einfach mitreißend!
In Mestia angekommen, treffen wir wieder auf Paulchen und beschließen, mit ihnen den Weg hoch zum Ende der Seilbahn zu fahren, da man den Grat schön bewandern können soll. Der erste Part ist kein Problem, aber dann sehen wir den Anstieg zum Kamm. Die Einheimischen schütteln den Kopf, wir schalten trotzdem den Allrad ein und versuchen unser Glück. Paulchen fährt voran, es schaukelt und rumpelt wie irre. Nach 400 Metern und 20 Minuten stoppen wir und gehen ein Stück voraus. Olaf und ich haben kein gutes Gefühl. Wir trennen uns: Achim und Andrea fahren weiter, wir müssen rückwärts bis zur Wendemöglichkeit wieder zurück! Mit den WalkieTalkies lotse ich Olaf im Schneckentempo über Furchen und Abgründe, wir schwitzen beide Blut und Wasser. Aber es klappt und wir kommen unbeschadet wieder unten an. An einer riesen Schaukel mit Blick auf den Kaukasus und das Tal verbringen wir den Abend, bekommen georgisches Essen nebenan und fühlen uns einfach nur sauwohl. Zu Fuß kämpfen wir uns 500 hm in 4 km bergauf und sind froh, dass wir umgekehrt waren. Gelohnt hätte sich die Schinderei nur bedingt! In Mestia verbringen wir den Abend mit Achim und Andrea mit literweise Rotwein, georgischen Gesängen und haben eine großartige Zeit.
Nach einem verkaterten Sonntag geht früh es am nächsten Tag zu unserer ersten Gletscherwanderung: In 1,5 Stunden wandern wir durch Birkenwälder zum Cha** Gletscher. Die Gletscherzungen reichen hier bis in die Täler, ein Grund, dass es eine begehrte Wandergegend ist! Für mich ist es der erste Gletscher, den ich sehe, und es ist beeindruckend. Zwar ist es mehr grau-schmutzig als strahlend weiß, aber die reine Eismasse und das davor leignede Geröllfeld sind imposant. Hier kommt auch ein Teil des Wassers her, das den reißenden Strom auf unserem Hinweg gefüllt hat.

Glücklich und zufrieden und von der Sonne gewärmt machen wir uns auf den Weg nach Ushguli. Nach einer guten halben Stunde bringt uns ein schrilles Quietschen von vorne rechts abrupt zum Stehen. Die erste Begutachtung am Straßenrand bringt keine Erkenntnis, also: Rad ab! Ein fieses Steinchen hat sich so in der Bremse verkeilt, dass sie heiß gelaufen ist und dieses hässliche Quietschen verursacht hat. Nachdem das Rad wieder dran ist, geht es weiter, erneut durch sensationelle Landschaft.Bald wird die Straße richtig schlecht, und wir schaukeln langsam den Weg hinauf. Um die letzte Kurve, und Ushguli liegt vor uns – in einem Tal, rechts und links gesäumt von gelben Wiesen, an dessen Ende der Kaukasus thront. So richtig toll wirkt es auf den ersten BLick aber nicht, und wir fahren bis an den Ortsausgang, um ein Chatschapuri zu futtern und auf Achim und Andrea zu warten. Dort treffen wir auch Susanne aus München wieder und überlegen beim gemeinsamen Abendessen die Weiterfahrt. Bei sternklarer Nacht kriechen wir bei 2 Grad ins Dachzelt und brechen am nächsten Tag früh auf, um den Zagaro Pass nach Lentheki zu fahren. Durch eine Wahnsinnslandschaft führt der Pass auf 2.600 Meter hinauf, an Tälern voller Wildblumen vorbei. Dann tauchen die mächtigen, schneebedeckten 5000er Gipfel des Großen Kaukasus auf. Stück für Stück fahren wir bergauf und können uns vor Begeisterung kaum halten. Alle hatten Schauergeschichten von dem Pass erzählt, aber so richtig schlimm war da nichts! Ein paar Löcher, ein bisschen Wasser, und bergab beginnen die Serpentinen und Geröll, aber mit dem Allrad fährt der kleine Oscar wie auf Schienen. Als wir an der Seite eine Ruine (und einen Overlander davor) erspähen, fahren wir gemeinsam ran und stoppen für iene Fotopause. Leider ist SUsanne so weit vorgefahren, dass wir sie nicht merhe rreichen können – dennoch beschließen wir, die Nacht hier zu verbringen, soll es nachts doch Wolfsgeheul geben! Bei strahlendem Sonnenschein fahren wir das Dachzelt auf, aber der Wetterumschwung naht schon. Zum Glück ist der Regen nur von kurzer Dauer und abends versammeln wir uns mit dem lustigen polnischen Paar um ein großes Feuer. Die beiden sprechen in Maschinengewehrtempo polnisch, untermalt von preiswürdigen schauspielerischen Darstellungen, und irgendwie verstehen wir uns schon. Nach ein paar Gläsern Cola („nur Cola“ – polnische Mischung …) wird es schiweriger, aber umso lustiger. Sternschnuppen fallen vom Himmel, es ist einfach nur wunderschön. Nach einer frostigen Nacht bei zei Grad im Dachzelt bringt der nächste Morgen klaren Himmel und Sonnenschein, sodass wir uns zügig wieder auf den Weg ins Tal machen. Jetzt wird der Weg zum Teil unwegsam, mit viel viel Schlamm und oft unterbrochen durch Straßenarbeiten. Die Straße wird ausgebaut – in ein paar Jahren kann man von Abenteuer nicht mehr sprechen! In Lentheki angekommen, füllen wir notdürftig unsere Vorräte auf und finden einen schönen Platz am Flussufer für die Nacht.